Appell: Vielfalt der Kulturradios erhalten
13. Februar 2023

Ansprechpartner

Thomas Prisching

Geschäftsführer
T: 040 285 33 86-0
prisching@lmr-hh.de

Vor dem Hintergrund der Einsparungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk appelliert die Konferenz der Landesmusikräte an alle politisch Verantwortlichen, die Rundfunkgremien und die Sendeanstalten: Vielfalt der Kulturradios erhalten!

Die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt von 2007 gilt auch und in besonderem Maße für die Musikprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ein Mantelprogramm der ARD-Sender mit regionalen Fenstern kann der reichhaltigen Kultur des musikalischen Erbes, der aktuellen Ausdrucksformen und der fremden Kulturen im eigenen Land ebenso wenig gerecht werden wie der Musik vor Ort mit allen ihren professionellen Akteuren und Amateuren. MUSIKALISCHE VIELFALT ist das Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks!

Das im Juli 2021 ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Beitragserhöhung hat die besondere Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und seinen gesellschaftlichen Auftrag bestätigt. Die Konferenz der Landesmusikräte begrüßt das Urteil und unterstreicht, dass der Auftrag sowohl der unabhängigen Information als auch der Abbildung und Förderung der Kultur- und Musiklandschaft gilt. Mit den Programmveränderungen der letzten Jahre und der fortschreitenden Reduktion der Vielfalt in den Programmen läuft der öffentlich-rechtliche Rundfunk allerdings Gefahr, seinem Auftrag immer weniger gerecht zu werden.

Aus dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland, 7.11.2020 III. Abschnitt

„Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist es, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale,europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichenLebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die Internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“ (§26, Abs.1)

Die Konferenz der Landesmusikräte beobachtet die Veränderungen in der Rundfunklandschaft, berät und unterstützt mit ihrer fachlichen Expertise und begleitet kritisch die Diskussionsprozesse zu Hörfunk, Fernsehen und Digitalmedien. Dieser Prozess braucht die öffentliche Diskussion, die Partizipation der Nutzer und Transparenz bei wesentlichen Entscheidungen.

1. Kultur- und Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Die Konferenz der Landesmusikräte fordert die Erfüllung des Kultur- und Bildungsauftrags des ÖRR gemäß § 26 des Medienstaatsvertrages ein. Die Rundfunkgebühren der Bürgerinnen und Bürger sind Qualitätssicherungsgebühren, um Programmangebote unabhängig von der Quote zu ermöglichen. Dazu gehört insbesondere die Pflege des musikalischen Erbes und die Förderung aktueller musikalischer Ausdrucksformen.

Wir fordern die Verantwortlichen bei den Sendern nachdrücklich auf, ihrem Programmauftrag gerecht zu werden, der insbesondere darin besteht, einem größeren Publikum die Vielfalt musikalischer Stilrichtungen in der professionellen und in der Amateurmusik zu publikumsfreundlichen Sendezeiten und in angemessenen Anteilen zu präsentieren.

2. Programmgestaltung und -vermittlung

Kernauftrag und Kernkompetenz des ÖRR ist die Vermittlung einer musikalischen Vielfalt, die der Pluralität der Kulturen in einer vernetzten und globalisierten Welt gerecht wird. Die Präsentation soll dabei durch interaktive Formate Beteiligungsprozesse der Hörerinnen und Hörer ermöglichen. Aufgrund der gestiegenen Komplexität und Veränderungsdynamik kultureller Entwicklungen bedarf es hier einerseits fachkompetenter und sorgfältiger Vermittlung durch Fachredaktionen, andererseits ein Eingehen auf veränderte Rezeptionsgewohnheiten, insbesondere in der jüngeren Zielgruppe. Wie verschiedene Studien nahelegen, besteht nach wie vor eine große Nachfrage nach kuratierten Programmen, die sich allerdings der neuen technischen Möglichkeiten stärker bedienen müssen. In der kompetenten Vermittlung mit zeitgemäßen technischen Mitteln liegt die große Chance des ÖRR. Eine bloße Dopplung rotationsbasierter Programmangebote im Stile der privaten Anbieter verfehlt hingegen nicht nur den Programmauftrag, sie entzieht dem ÖRR letztlich die zentrale Legitimation zur Beitragsfinanzierung, die daraus resultiert, eben das zu liefern, wozu die selbstfinanzierten Privaten nicht in der Lage sind.

Wir fordern die Erhaltung von Fachredaktionen sowie die kompetente und sorgfältige Vermittlung der musikalischen Vielfalt mit angemessenen und zeitgemäßen technischen Mitteln.

3. Qualifikation von Musikjournalisten

Gerade die zunehmende Komplexität der kulturellen Entwicklungen und der musikalischen Diversität erfordert gründlich ausgebildete Fachjournalisten, die einerseits über ein Studium in einem musikalischen Bereich verfügen sollten, andererseits die Hörerinnen und Hörer für die Vielfalt der Musik öffnen und sie mit fundierten Beiträgen vermitteln sollen. Eine anregende und anspruchsvolle Präsentation unter Einbeziehung zeitgemäßer technischer Vermittlungsformen unterstreicht dabei den Qualitätsanspruch. des ÖRR. Quotenorientierte Moderationsstile hingegen verfehlen dieses Ziel nachhaltig und führen zur Abwendung der kulturinteressierten Hörerschaft.

Wir unterstützen die eingeleiteten Maßnahmen zur Qualifikation der Musikjournalisten durch das umfassende Fort- und Weiterbildungsnetzwerk des ÖRR.

4. Rundfunkklangkörper

Die 16 Rundfunkorchester, -chöre und -ensembles sowie Big Bands sind ein Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie gestalten wesentliche Programmanteile der Musiksendungen und repräsentieren als Konzertanbieter in den Bundesländern den kulturellen Anspruch des ÖRR. Ihre professionelle Qualität, Besetzung und Leistungsfähigkeit ermöglichen herausragende Aufführungen und die Entdeckung bisher unbekannter Musik. Die überragende Leistung des ÖRR in Vergangenheit und Gegenwart zeigt sich beispielhaft in der zeitgenössischen Musik als Auftraggeber und Veranstalter. Die Musikarchive des ÖRR stellen einen einzigartigen Schatz an Musikdokumenten des 20. und 21. Jahrhunderts dar, der so weit wie möglich öffentlich verfügbar gemacht werden sollte. Darüber hinaus bilden konzertdidaktische Kooperationen aller ARD-Anstalten eine unverzichtbare Ergänzung zum schulischen Musikunterricht in den jeweiligen Bundesländern. Die Rundfunkklangkörper sind ein unersetzbarer Bestandteil der kulturellen Vielfalt und der Musikalischen Bildung in Deutschland, den es uneingeschränkt zu erhalten gilt.

5. Regionalität

Eine Stärke des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung besteht u.a. in seiner regionalen Struktur. Diese Verankerung stiftet Identität. Die Abbildung des regionalen Musiklebens durch Übertragungen, Veranstaltungen und Berichterstattungen bindet Hörerinnen und Hörer. Musikschaffende vor Ort werden dadurch wertgeschätzt und gefördert und fungieren so als Identifikationsträger des Senders.

Wir fordern ein klares Bekenntnis der Sender zu drei regionalen Kernaufgaben: Berichterstattung, Veranstaltungen und regionale sowie überregionale Produktionen.

6. Amateurmusizieren und Nachwuchsförderung im Rundfunk

Die Mehrzahl musikausübender Menschen (14.3 Mio. nach Allensbach-Studie von 2021), vereint im Deutschen Musikrat, sind Amateurmusiker in Chören, Orchestern und Ensembles im Jugend- und Erwachsenenalter. Um die aktive Musikausübung von einer Generation an nachfolgende Generationen weiterzutragen, ist die angemessene Abbildung des Amateurmusizierens in entsprechenden Formaten notwendig, wie es in einzelnen Rundfunkanstalten bereits praktiziert wird. Dies kann – neben Features und Portraits – auch durch Aufnahmen von jugendlichen Preisträgern und Konzerten bestehen, wobei unter Amateurmusik keinesfalls ausschließlich die Rock- und Pop-Musik verstanden werden darf, sondern auch die gesamte Breite an Chor- und Instrumentalmusik gemeint ist.

Wir fordern eine angemessene Berichterstattung und Präsentationen der Aktivitäten im Amateurmusikbereich und eine deutlich bessere Förderung des musikalischen Nachwuchses durch wiederauffindbare Sendeplätze.

7. Unabhängigkeit von Quote

Die Konferenz der Landesmusikräte unterstützt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei seinem Bekenntnis zu seinen qualitativ hochwertigen Musikprogrammen – unabhängig von Quote.

Eisenach, 9. Februar 2023

Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Vorsitzende der Konferenz der Landesmusikräte

Für:
Landesmusikrat Baden-Württemberg, Bayerischer Musikrat, Landesmusikrat Berlin
Landesmusikrat Brandenburg, Landesmusikrat Bremen, Landesmusikrat Hamburg
Landesmusikrat Hessen, Landesmusikrat Mecklenburg-Vorpommern, Landesmusikrat Niedersachsen
Landesmusikrat Nordrhein Westfalen, Landesmusikrat Rheinland-Pfalz
Landesmusikrat Saar, Sächsischer Musikrat, Landesmusikrat Sachsen-Anhalt
Landesmusikrat Schleswig-Holstein, Landesmusikrat Thüringen