Offener Brief an Dr. Tschentscher
11. Juni 2021

Pressekontakt

Thomas Prisching

Geschäftsführer
T: 040 285 33 86-0
prisching@lmr-hh.de

Sehr geehrter Herr Dr. Tschentscher,

am heutigen Tage können wir in unserer Stadt die für die Bundesrepublik Deutschland hervorragende Inzidenzzahl von 23,7 und einen R-Wert von 0,83 registrieren. Hauptgrund dafür ist sicher die konsequente Gesundheitspolitik des Hamburger Senats. Aber auch die Hundertausenden Hamburger Amateurmusiker*innen und Amateursänger*innen haben seit März des vergangenen Jahres äußerst diszipliniert und mit großer Kreativität ihren Beitrag zur Einhaltung der notwendigen Hygienevorgaben geleistet.

Eine Woche nach Unterschreitung der Marke von 35 steigt allerdings die Verzweiflung in unseren Hamburger Amateurmusik- und Chorvereinen, weil sie – im Gegensatz zu anderen Bereichen wie dem Breitensport oder der Gastronomie – keine der Entwicklung der Inzidenzzahlen adäquate Reaktion der Politik in Hinsicht auf eine Öffnungsperspektive erkennen können. Sie fühlen sich wie schon mehrfach im vergangenen Jahr vergessen und im Stich gelassen: Die fragilen, für den Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft extrem wichtigen musikalischen Ökologien trocknen zunehmend aus. Die vielen Orchester, Bigbands, Chöre, Ensembles, Bands, Musikvereine Hamburgs verlieren massenhaft Mitglieder, sie implodieren regelrecht. Mit ihnen gehen wichtigste identitätsstiftende und soziale Beziehungen dieser Bürger untereinander und zu ihrer Stadt verloren. Das Vertrauen in die Kompetenz und Umsicht ihrer Politiker beginnt zu bröckeln und macht Frust, Trauer und Resignation Platz. Noch schwieriger wird es, wenn man feststellt, dass Sport und Gastronomie im Innen- und Außenbereich wieder möglich sind, Theater und Konzertorte wieder öffnen können, aber Proben und Musizieren in der Breite und im Nachwuchs bisher nicht oder zumindest nur sehr eingeschränkt möglich sind! Das kann unsere Demokratie in Stadt und Land nicht hinnehmen.

Deswegen fordern wir:

  • Die instrumentale und vokale Amateurmusik sowie der gesamte Nachwuchsbereich müssen unter Beachtung der Kontakt- und Abstandsregeln wieder im Innen- und Außenbereich uneingeschränkt proben können.
  • Die Beschränkung, dass Ensembles und Orchester nur mit weniger als zwei Bläsern im Amateurmusik- und Nachwuchsbereich proben können, ist unter den gegebenen aktuellen Rahmensetzungen nicht nachvollziehbar und muss dringend abgeschafft werden!

Die Konferenz der Landesmusikräte und der Deutsche Musikrat haben bereits am 23. April 2021 unter dem Titel „Wege aus der Stille“ Empfehlungen zur Wiederaufnahme des musikalischen Betriebs im Amateur- und Profibereich unter Beachtung entsprechender Hygienekonzepte erstellt.

Der Verband Deutscher Konzert Chöre (VDKC) appellierte am 01. Juni 2021 in gleicher Weise an die Bundeskanzlerin. Der Chorverband Hamburg, der Mitglied im Landesmusikrat Hamburg ist, entwickelte ein Rahmenhygienekonzept für Chorproben und übermittelte dies den zuständigen Stellen. Leider konnten wir seither eine adäquate Reaktion der Politik auf diese Appelle und Empfehlungen zur verantwortungsvollen Öffnung des Probenbetriebs vor allem im Amateurbereich nicht feststellen. Im Namen des Landesmusikrates in der Freien und Hansestadt Hamburg und seiner Mitglieder bitte ich angesichts der genannten dramatischen und zerstörerischen Entwicklungen dringendst und zeitnah um eine konkrete Öffnungsperspektive für alle unsere Hamburger Amateur- und Nachwuchsmusiker*innen im Instrumental- und Chorbereich. 

Mit freundlichen Grüßen,
Ludger Vollmer
Präsident